„Aufklärerische Angriffslust“ im Kunsthaus

Jürgen Schieferdecker schenkt seiner Heimatstadt erneut Werke


Mit großer Freude begrüßte die Vorsitzende des Meeraner Kunstvereines (MKV), Dr. Birgit Salzbrenner, am 8. März 2012 die zahlreich erschienenen Gäste – darunter Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer, MKV-Vorstand Professor Dr. Wolfgang Zscherpel sowie Mitglieder des Kunstvereines zur Vernissage der neuen Dauerausstellung.

Grund dafür war die nunmehr vierte Schenkung des 1937 in Meerane geborenen und mehrfachen Preisträger bei nationalen und internationalen Grafikwettbewerben, Professor Jürgen Schieferdecker. Wie die Vorsitzende betonte, freue sich der Kunstverein, die Werke in Obhut nehmen zu dürfen und diese durch eine Dauerausstellung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Nehmen Sie sich Zeit und ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse, wenn Sie durch die Ausstellung gehen“, stimmte Dr. Birgit Salzbrenner die Kunstinteressierten auf einen späteren Rundgang ein.

Dann übergab sie das Wort an Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer, welcher sich aufs Herzlichste beim Künstler höchstpersönlich für die erneute Schenkung bedankte, ebenso bei Frau Dr. Birgit Salzbrenner und der Fachbereichsleiterin Kultur, Angelika Albrecht. „Es ist für mich sehr ehrenvoll, einführende Worte zu Ihnen sprechen zu dürfen“, und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: „Ich hatte auch – es sei mir erlaubt – Lust dazu!“ Schließlich sei dies eine „kognitive und sprachliche Herausforderung“.
Dann ging er zum einen auf die Kompliziertheit und zum anderen auf die Ästhetik der Werke Schieferdeckers ein. „Jürgen Schieferdecker gibt mit seiner Kunst Wegmarkierungen, die dem Betrachter auch die Kompliziertheit pointiert erhellt und Erkenntnisprozesse auslöst...und fordert das Nachdenken über unsere eigenen Verhältnisse, ihre Rechtfertigung und Verbesserung“, so das Stadtoberhaupt. Doch auch die Ästhetik durch Wahrnehmung, Erkenntnis und Wertung komme in seinem künstlerischen Schaffen nicht zu kurz. An Werken wie beispielsweise „Wendehals mit dem Gesicht zum Volke (für Egon Krenz)“ eine Assemblage aus den Jahren 1989/1994, „Damoklesschwert“ ein Farbsiebdruck von 1985 oder der Farbhochdruck „Iphigenie 79“ von 1979 erläuterte Professor Ungerer die jedem Kunstwerk zugrunde liegende, manchmal auch auf dem zweiten Blick erkennbare, Ästhetik.
Zum Schluss betonte der Bürgermeister, dass in allen gezeigten Arbeiten auch die Frage nach dem Sinn, egal in welcher Form, enthalten ist. Deshalb wünschte er der Dauerausstellung viele Besucher: „Sie hat es mehr als verdient!“

Dann ergriff, Professor Dr. Wolfgang Zscherpel das Wort. Diesmal nicht nur als Vorstand des Meeraner Kunstvereines sondern auch als Freund des Künstlers und Schenkungsgebers. Und so waren seine Ausführungen einfühlsam, nachdenklich aber auch mit Humor gespickt: „Ich lernte Jürgen als munteren, hellwachen, kritischen und stets zu bissigen Bemerkungen bereiten, kessen Baskenmützenträger kennen.“ Das war 1952, als sowohl Jürgen Schieferdecker, als auch er selbst in der 10. Oberschulenklasse in die Goetheschule in Meerane kamen. Fortan verband sie eine enge Freundschaft – hatte man doch ähnliche Werte- und Zukunftsvorstellungen und ging zudem jeden Morgen den gleichen Weg zu Schule. So ließ er es auch nicht unerwähnt, dass Jürgen Schieferdecker im zarten Alter von 18 Jahren, ihm bei einem Kunstausflug einen Linolschnitt mit Signatur schenkte mit der Bemerkung: „Heb' es gut auf, ich werde mal berühmt“. Dieses Original präsentierte Professor Dr. Zscherpel zur Vernissage und betonte mit einem Schmunzeln, dass das Erstlingswerk auch weiterhin in seinem Besitz bleibe, man aber gern über eine Kopie verhandeln könne. Dann plauderte er über den gemeinsam erlebten Mauerbau und Prager Frühling sowie über sozialistische kulturelle Höhepunkte, wie die „Kulturelle Bewährung an der künstlerischen Front“. Jede Zeit hat also ihre Unwörter und Professor Dr. Zscherpel beendete seine Ausführungen mit einem Zitat des Künstlers selbst: „Lass den Stachel der Kritik nicht in der Schönheit ersaufen“. Das Publikum zeigte sich erfreut über derartige Einblicke in das künstlerische Schaffen und gab entsprechenden Applaus.

Nun kam Professor Jürgen Schieferdecker zu Wort und Dankte allen, die sich um die Ausstellung verdient gemacht haben und zeigte sich schon gespannt, wie seine Grafiken präsentiert werden: „Wenn man immer seine Ausstellung selbst gestaltet, kann man betriebsblind werden.“ Zudem erklärte er auch den Grund der Schenkung: „Was nützen 80 Arbeiten, wenn sie im Kunstkabinett zu Dresden im Schrank liegen, hier in Meerane hängen sie an der Wand, wo sie hingehören.“ Dann hatte er noch eine Überraschung für Professor Ungerer. Er überreichte ihm eine große rote Mappe mit weiteren 32 Werken und eröffnete gemeinsam mit dem Bürgermeister, der Kunstvereinsvorsitzenden und der Fachbereichsleiterin Kultur die Dauerausstellung.

Die musikalische Umrahmung übernahm das Violinen-Quartett der Musikschule „Johann Friedrich Agricola“ aus Gößnitz/Schmölln. Die vier Violinisten Nancy Langer, Laura Klose, Luise Beyrer und Benjamin Mai erhielten im vergangenen Jahr den „Preis der Stadt Meerane“. Zur Vernissage boten sie „Vier Melodien“ von Witold Lutoslawski dar.

Zur Person: Jürgen Schieferdecker wurde 1937 in Meerane geboren und besuchte in seiner Heimatstadt von 1943 bis 1955 die Schule. Nach dem Abitur studierte er bis 1962 an der Technischen Hochschule Dresden Architektur und war anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei dem Architekten Professor Bernhard Klemm tätig. 1993 übernahm Schieferdecker die außerplanmäßige Professur für Bildnerische Lehre am Institut für Grundlagen der Gestaltung und Darstellung an der Fakultät der TU Dresden.
Professor Jürgen Schieferdecker ist Maler, Grafiker und Objektkünstler, Architekt und Hochschullehrer. Für sein künstlerisches Schaffen wurde er mit vielen nationalen und internationalen Auszeichnungen geehrt und in viele Ämter berufen.
Seiner Heimatstadt blieb Professor Jürgen Schieferdecker immer eng verbunden. Eine größere Sammlung seiner Werke überreichte er zu verschiedenen Anlässen als Schenkung an die Stadt Meerane.
Eine Auswahl seiner Werke war bereits in mehreren Ausstellungen in Meerane zu sehen. Zur Eröffnung der ersten beiden Ausstellungen im Kunsthaus überreichte Professor Schieferdecker am 13. Mai 2009 in der Galerie ART IN an Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer eine Mappe mit 30 Originalgrafiken aus seinem Schaffen der Jahre 1978 bis 1988. Diese Grafiken bilden nun den Mittelpunkt der neuen Dauerausstellung zu Ehren des Meeraner Künstlers, neben der Assemblage „Wendehals mit dem Gesicht zum Volke“ und anderen einzelnen Werken.
Die bisherige Schieferdecker-Ausstellung aus der Galerie ART IN hat ihr neues Domizil im Neuen Rathaus am Lörracher Platz gefunden.

Öffnungszeiten der Galerie ART IN, Kunsthaus, Markt 1, Tel. 03764 / 18 69 83:
Dienstag, Mittwoch und Donnerstag 14 bis 18 Uhr,
Sonntag 14 bis 17 Uhr, sowie nach Vereinbarung.

 

V.l.n.r.: Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer, der Künstler Professor Jürgen Schieferdecker und Professor Dr. Zscherpel, Vorstand des MKV vor der neuen Ausstellung.  

Professor Dr. Lothar Ungerer sprach die einführenden Worte zur Vernissage in der Galerie ART IN.

 

Professor Dr. Zscherpel, Vorstand des MKV präsentiert während seiner Laudatio einen Linolschnitt des Künstlers aus dem Jahre 1955.   Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer freut sich über die gelungene Überraschung. Der Künstler Professor Jürgen Schieferdecker überreichte eine Mappe mit weiteren 32 Werken.

 

V.l.n.r.: Fachbereichsleiterin Kultur, Angelika Albrecht, Vorsitzende des MKV, Dr. Birgit Salzbrenner, Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer und Künstler Professor Jürgen Schieferdecker eröffnen mit gemeinsamen Sprachchor die Dauerausstellung.     Zur Eröffnung der Dauerausstellung mit Werken von Professor Jürgen Schieferdecker kamen zahlreiche Gäste. Für die musikalische Umrahmung sorgte das Violinen-Quartett der Musikschule „Johann Friedrich Agricola“ aus Gößnitz/Schmölln.