Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus: Gedenktafel auf dem Friedhof Meerane enthüllt
Erinnerung an die durch die sogenannte „Aktion T 4“ der Nationalsozialisten ermordeten Menschen mit Behinderungen und Krankheiten aus Meerane
„Viel ist es nicht, was über das Leben der 32 in Meerane geborenen Frauen und Männer herauszufinden ist. Ein paar Eckdaten, Orte, an denen sie sich aufhielten, einige Wendepunkte ihres Lebens. Nichts über ihr Wesen, nichts über ihre Träume, nichts darüber, welches Leben sie gern geführt hätten, hätten sie selbst darüber bestimmen können.
Sogar über ihrem Tod schwebt ein bürokratisches Kürzel, das der Ungeheuerlichkeit ihres gewaltsamen Sterbens noch den Stempel der Unpersönlichkeit aufdrückt: T 4.“
Mit diesen Worten begann die Ansprache von Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer zur Gedenkstunde am 27. Januar 2022, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
Die Stadt Meerane hat an diesem Tag eine Gedenktafel auf dem Meeraner Friedhof eingeweiht – zur Erinnerung an 32 Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche aus Meerane, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden, weil ihr Leben als „unwert“ galt.
Professor Dr. Ungerer: „Die Abkürzung T 4 für ‚Tiergartenstraße 4‘, den Standort der sogenannten Zentraldienststelle, steht für die systematische Ermordung von mehr als 70.000 psychisch kranken und geistig sowie körperlich behinderten Menschen durch die Nationalsozialisten. Jede einzelne Frau, jeder einzelne Mann, jedes einzelne Kind und jeder einzelne Jugendliche der 32 war eine bzw. einer von ihnen.“
Die Aufarbeitung des Leidensweges der Meeraner Frauen und Männer, die Opfer der sogenannten „Aktion T 4“ wurden, hat in den vergangenen Jahren umfangreiche Recherchearbeiten erfordert. „Die 32 Namen stehen symbolisch für alle, die ermordet wurden. Wir wissen, dass es mehr sind; viele Schicksale sind ungeschrieben“, sagte der Bürgermeister. Er dankte in diesem Zusammenhang besonders den Institutionen, die die eigenen Recherchearbeiten der Stadtverwaltung unterstützten. Dazu gehören das Kunst- und Museumsprojekt der DGS-Service GmbH Colditz und die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten. Begrüßt wurde zur Gedenkstunde Herr Olaf Beyer vom Kunst- und Museumsprojekt.
In seiner Ansprache informierte Professor Dr. Ungerer über die Hintergründe und die Durchführung der unmenschlichen Lebensvernichtung durch die sogenannte „Aktion T 4“.
Der nationalsozialistische Staat wollte die deutsche Gesellschaft von allem „Schwachen und Unbrauchbaren“ reinigen und erließ zu diesem Zweck das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933“. Nach 1934 wurden etwa 350.000 bis 400.000 Personen zwangssterilisiert; insgesamt 275.000 Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche mit geistigen oder körperlichen Behinderungen und psychischen Krankheiten wurden ermordet.
Die Zwangssterilisationen gingen der Tötung voraus. Auch dieses Thema, so der Bürgermeister, ist in der Stadt Meerane noch nicht erforscht.
Ermordet wurden die Menschen in zu Tötungsanstalten umfunktionierten Heilanstalten, in als Duschräumen getarnten Gaskammern. 23 der 32 auf der Gedenktafel verzeichneten Frauen und Männer wurden in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein ermordet. Über einzelne Schicksale informierte der Bürgermeister in seiner Ansprache; von vielen Opfern ist jedoch nur wenig bekannt. Für vier der Meeraner Frauen und Männer, deren Schicksale erforscht werden konnten, wurden im vergangenen Jahr am 27. Januar „Stolpersteine“ im Rahmen des Projektes des Künstlers Gunter Demnig verlegt.
„Die systematischen Lebensvernichtungen waren Ausgeburten eines durchdachten Vernichtungswillens. Tatsache ist, dass Deutsche mit erschreckender Brutalität oder in völliger moralischer Stumpfheit die Befehle ausführten“, so der Bürgermeister.
„Menschlichkeit ist heute unser Maßstab. Was ihr widerspricht, kann niemals Ideal sein. Die Verbrechen der Nazis aufzuarbeiten, ihrer Opfer zu gedenken und die Erinnerung auch in nachfolgenden Generationen wach zu halten, ist und bleibt eine immerwährende Aufgabe und moralische Verpflichtung“, betonte er abschließend.
So steht die Gedenktafel auch unter den Leitsätzen „Den Toten zum Gedenken. Den Lebenden zur Mahnung.“
Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2022 auf dem Meeraner Friedhof am Ehrenmal Zweiter Weltkrieg. Enthüllt wurde eine Gedenktafel, die an 32 Meeraner Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche erinnert, die ermordet wurden, weil ihr Leben als "unwert" galt.