27. Januar 2023 – Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus
von Bürgermeister Jörg Schmeißer
Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von sowjetischen Soldaten befreit. Was die Befreier dort vorfanden, lässt sich kaum in Worte fassen.
Die Nationalsozialisten hatten ihrem Vernichtungs- und Rassenwahn freien Lauf gelassen. Im Zuge des Holocaust fand in Auschwitz ein systematischer Mord an europäischen Juden statt und auch andere durch das NS-Regime verfolgte Gruppen wurden hier inhaftiert und ermordet. Die Zahl der Todesopfer im Vernichtungslager Auschwitz beläuft sich auf 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen. Etwa 90 Prozent der im Zweiten Weltkrieg nach Auschwitz deportierten Menschen waren Juden. Auschwitz wurde zum Ort des Holocaust, dem Völkermord an den Juden. Es ist als größtes Konzentrations- und Vernichtungslager in die Geschichte der Menschheit eingegangen.
Seit 1996 ist der 27. Januar der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland. Der Jahrestag ist bezogen auf den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und der beiden anderen Konzentrationslager Auschwitz durch die Rote Armee. Im Jahr 2005 wurde von den Vereinten Nationen zum Gedenken an den Holocaust und den 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust (International Holocaust Remembrance Day) eingeführt.
Am 27. Januar gedenken wir allen Opfern des Nationalsozialismus. Wir gedenken der Millionen Opfer des nationalsozialistischen Rassen- und Völkermordes, darunter sechs Millionen Juden, und aller Menschen, die durch das nationalsozialistische Regime ein grausames Schicksal erleiden mussten, die entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Der heutige Tag ist ein Tag des Gedenkens und des Erinnerns, aber er ist auch ein Tag der Mahnung, dass solche Gräueltaten nie wieder passieren dürfen!
Einen Beitrag bei der Vermittlungsarbeit leisten die Gedenkstätten und Mahnmale in ganz Deutschland und auch in unserer Stadt. Wir sind uns der enorm wichtigen Aufgabe des Erinnerns und des Gedenkens bewusst. Unser Anliegen ist es, die Orte des Erinnerns und des Gedenkens weiter zu pflegen und zu gestalten.
Beispielhaft dafür steht die Gedenktafel auf dem Meeraner Friedhof, die an Meeranerinnen und Meeraner erinnert, die im Zuge der sogenannten „Aktion T 4“ ermordet wurden, weil ihr Leben den Nationalsozialisten aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Krankheit oder Beeinträchtigung als „lebensunwert“ galt.
Teil der Erinnerungskultur sind auch in Meerane die „Stolpersteine“, die auf Plätzen und Wegen zu finden sind. Diese Stolpersteine erinnern an Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Ins Leben gerufen hat das Projekt „Stolpersteine“ der Künstler Gunter Demnig im Jahr 1992. Heute wird es in 30 europäischen Ländern umgesetzt. In Meerane erinnern die Stolpersteine an jüdische Meeranerinnen und Meeraner, an Opfer der sogenannten „Aktion T 4“ und an den als Mitglied der KPD politisch verfolgten Meeraner Stadtrat Martin Hochmuth.
Hervorzuheben sind die Bemühungen um Aufklärungsarbeit an Schulen und Jugendeinrichtungen. Meeraner Schülerinnen und Schüler besuchen Gedenkstätten, um sich tiefgründiger zur Geschichte des Nationalsozialismus zu informieren, und sie übernehmen die Pflege der Stolpersteine in Meerane und setzen sich so mit der Zeit des Nationalsozialismus unmittelbar in ihrer Heimatstadt auseinander. Im November des vergangenen Jahres zeigten die Arolsen Archives die Ausstellung #StolenMemory in Meerane. Der gegen die Ausstellung gerichtete Vandalismus machte deutlich, wie notwendig es ist, gegen das Vergessen, gegen Rassismus und Diskriminierung einzutreten – für Demokratie, Menschenwürde und Freiheit.
Ausgrenzung, Feindseligkeit und Gedanken des Totalitarismus, Faschismus und Nationalsozialismus dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz finden! Die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus und den unfassbaren Verbrechen ist unverzichtbar, auch und gerade für uns, die diese schreckliche Zeit nicht erleben mussten.
Die Grausamkeiten und das unendliche Leid, das den Menschen unter dem Nationalsozialismus angetan wurde, kann kein Gedenken und auch kein Erinnern lindern. Unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist es, die Erinnerung wachzuhalten und Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.
Bundespräsident Roman Herzog, der am 3. Januar 1996 den 27. Januar zum „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ proklamierte, führte dazu aus:
„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
Wir gedenken am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus. Die Erinnerung an die Vergangenheit ist Mahnung für die Zukunft.