Nachruf zum Tode von Herrn Johannes Rothe

„Ein gut angewendetes Leben ist lang.“
Leonardo da Vinci

Die Stadt Meerane trauert um Herrn Johannes Rothe.

Am 3. Januar 2020 verstarb Herr Johannes Rothe, wenige Tage vor seinem 93. Geburtstag. In tiefer Trauer nehmen wir Abschied. Für die Stadt Meerane bedeutet sein Tod das Ende einer Freundschaft, das Ende einer erfüllten Zusammenarbeit, das Ende einer von Respekt und Achtung getragenen Zeit. Unser Mitgefühl gilt seiner Lebensgefährtin Frau Inge Stephan und der Familie Rothe mit allen Angehörigen.

Herr Johannes Rothe hat als Grafik-Designer nicht nur der Stadt Meerane sondern auch der Region ein unverwechselbares Gesicht gegeben. Begeisternd seine künstlerische Vielfalt. Dazu gehören Lithografien, Wandmalereien, Ornamentale Bemalungen, Gebrauchsgrafiken, Aquarelle, Portraits, Bleistiftzeichnungen, Wand- und Fassadengestaltungen, der Entwurf eines Farbleitplanes für die Meeraner Innenstadt, Entwürfe und Ausführungen von textilen Applikationen, Gestaltungen von Wandteppichen, Entwürfe und Gestaltungen von Keramikfiguren und Lampen, Porzellanmalereien, Sakrale Kunst, wie im Großen Saal des Kirchgemeindehauses zu sehen ist, Emporenbemalung, grafische Umsetzung von Drucksachen.

Im Jahre 2013 widmete die Stadt Meerane seinem künstlerischen Schaffen eine vielbesuchte Sonderausstellung unter dem Titel „Leben und Werk des Meeraner Grafik-Designers Johannes Rothe“.

In Würdigung seiner Persönlichkeit und seines Lebenswerkes haben meine Worte zur Ausstellungseröffnung am 14. Juni 2013 nichts an Aktualität verloren:

„Dank und Besonderheiten liegen mir heute zu Johannes Rothe am Herzen. Eine Werksschenkung an die Stadt Meerane, seine Inspirationen und Visionen, seine Darstellung der kulturellen Traditionen der Kunstschätze im Schönburger Land (vor allem Kirchen und Stadtansichten) sowie seine künstlerische Leichtigkeit und Heiterkeit.

Sehr verehrter Herr Johannes Rothe, unsere Begegnungen, die Betrachtungen Ihrer Arbeiten und die mir gegönnte Begleitung Ihrer Arbeiten, bewegen heute meine Gedanken zu dieser Ausstellungseröffnung. Ich greife dazu ein Wort von Heinrich Böll auf, in dem ich meinen Diskurs mit Ihnen (und vor allem Sie) trefflich wiederfinde:

"Kunst ist eine der wenigen Möglichkeiten, Leben zu haben und Leben zu halten, für den, der sie macht und für den, der sie empfängt.“

Gerne folge ich Johannes Rothes grafischer Aneignungen von Landschaften, Kirchen, Dörfern und Städten, Buchstaben, Zahlen, seinem Resonanzraum für das Spiel mit dem Stift, der Farbe, der seine Werke zum Schauvergnügen macht. Es sind nicht nur Abbildungen der Wirklichkeit. Sie sind viel stärker ein ästhetisches Spiel, eine vollendete Widerspiegelung künstlerischer Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, zeigen uns diese in einer vom Künstler Rothe erlebten Sicht. Johannes Rothes Blicke zeigen z. B. den Formenreichtum der Architektur mit einer wahrnehmungsgetreuen Körper- und Raumdarstellung.  

Dabei komme ich an einem Thema nicht vorbei: Mit der heutigen „Italienischen Treppe“ am Teichplatz wurde eine Inspiration, eine Vision, ein Wunsch Wirklichkeit. Städte sind aus Wünschen gebaut und von Wünschen durchlebt. Dies gilt für die Stadtentwicklung Meeranes in hohem Maße. Meerane gestaltete innerhalb der vergangenen Jahre in einem Wettlauf gegen die Zeit einen beispiellosen Umbauprozess. Der Teichplatz und mit ihm die Italienische Treppe war für mich dazu der Start.  

Rückblende April 2001. Ein zu druckendes Wahlplakat zur Bürgermeisterwahl 2001, gestaltet von Hilmar Kayser, mit einer Fotografie aus dem Hause Foto Augsten, führte mich zu Dr. Klaus Schwarz. Dort sah ich Ihre künstlerische Darstellung einer Treppe am Teichplatz, 1996 entstanden. Die Vision hat mich fasziniert. Diese Vision sollte für mich Wirklichkeit werden. Ziel war und ist es, ein Stück moderne Stadtpersönlichkeit zu schaffen. Eine Meeraner Stadtidentität. Es galt, Entscheidungen zu treffen und Entscheidungen durchzusetzen, d. h. die Wirklichkeit mit der Möglichkeit erfolgreich zu verbinden. Wir haben dies erreicht. Ihre Tochter, Architektin Frau Elisabeth Scholz, hat die „künstlerische Freiheit“ des Vaters in eine realisierbare Form gebracht.  

Der Grafiker Johannes Rothe ist ein Meister des ästhetischen Spiels. Für den Grafiker gilt die hohe Kunst zu schreiben, zu zeichnen und zu malen. Der Grafiker verbindet die Angewandte Kunst (Gebrauchskunst) mit der Bildenden Kunst. Er arbeitet mit den Mitteln der künstlerischen Grafik. Für Johannes Rothe gelten in hohem Maße eine ästhetische Synthese aus Wirklichkeit und Möglichkeit, die seine Kreativität begründet, sowie die ästhetische Synthese aus Angewandter Kunst und Bildender Kunst.  

Johannes Rothe hat mit seiner Kunst den Anspruch, dass die Kunst dem Menschen nutzen soll, statt sich nur selbst zu genügen. Ich erinnere an sein funktionelles Kunstschaffen, z. B. an der Außenwand der Friedrich-Engels-Schule oder an vielfältige Innenwandbilder: Wandbilder als Ausschmückung von Innen- und Außenflächen; allegorisch-symbolische Darstellungen mit dekorativem Schauwert.

Genügen diese ästhetischen Ansprüchen? Ja. Seine Grafiken haben hohes technisches Niveau. Sie zeichnen sich durch individuelle Gestaltung und freien Gebrauch der Techniken aus. Sie sind Beispiele zeitgenössischer Kunst. Dabei lebte Johannes Rothe seine künstlerische Freiheit.  

Nach dem Philosophen Arthur Schopenhauer (1788-1860) ist jede Wertschätzung ein Produkt aus dem Werten des Geschätzten mit der Erkenntnissphäre des Schätzers. Wir wissen, sehr geehrter Herr Rothe, Ihre Schenkung an die Stadt Meerane wertzuschätzen. Ihre Werke erinnern uns auch an Wesentliches, das in unserer Zeit, die sich unglaublich beschleunigt, droht verloren zu gehen. Für mich wächst deshalb die Bedeutung der Kunst. Dies erfordert auch weiterhin der Zugang zum Kunstleben. Dies ist eine elementare Notwendigkeit. Dafür schaffen wir Räume, um Kunst zu zeigen, Ihre Kunst. Dafür danken wir Ihnen.

Schlussgedanke. Von Johann Wolfgang von Goethe stammt aus dem Jahre 1789 (zu Karoline Herder am 5.2.1789) ein Gedanke zur Schönheit in der Natur und in der Kunst, der in meiner Wahrnehmung den Künstler Johannes Rothe trefflich charakterisiert:  

„Schönheit der Natur ist Vollkommenheit des Ganzen, zu einer anschaulichen Kenntnis gebracht. Schönheit der Kunst ist gleichsam der Anblick des Vollkommenen, in der Seele des Künstlers zur Gestalt gereift und durch innere Kraft wieder zur Gestalt wirkend.“


Nichts anderes fällt uns im Leben so schwer wie das endgültige Abschiednehmen von einem Menschen, den wir kennen und schätzen gelernt haben, der seiner Heimatstadt stets verbunden blieb. Mit seinem künstlerischen Werk und in unser aller Gedächtnis wird Herr Johannes Rothe weiterleben.

Wie Leonardo da Vinci sagt:  „Ein gut angewendetes Leben ist lang.“  

Professor Dr. Lothar Ungerer
Bürgermeister Stadt Meerane

Johannes Rothe berichtete zur Ausstellungseröffnung über sein umfangreiches Schaffen.

Vom 14. Juni bis 25. August 2013 wurde die Ausstellung „Leben und Werk des Meeraner Grafik-Designers Johannes Rothe“ im Heimatmuseum Meerane gezeigt.