„Kampfgans Luise“ erobert mit Herz und Humor die Meeraner Stadtbibliothek
Die Weihnachtszeit ist eine besondere Zeit, weil trotz aller Hektik irgendwann die Tage der Ruhe und Besinnlichkeit auf uns warten. Aber ist das wirklich immer so?
Am 12. Dezember 2022 ging es jedenfalls alles andere als ruhig zu. Der Berliner Autor Stephan Hähnel startete in der Stadtbibliothek Meerane mit seinen schwarzhumorigen Geschichten einen Angriff auf die Lachmuskeln der anwesenden Besucher. Diese waren nur zu gern bereit, sich von den teils urkomischen, teils beinahe bissigen Anekdoten mitreißen zu lassen.
Den Anfang machte die Erzählung von einem Rechtsmediziner, der stolz auf seine über Jahrzehnte gewachsene Sammlung an Schokoladenweihnachtsmännern blickt. Als er jedoch am Weihnachtstag zu einem Tatort gerufen wird, während die Ehegattin gerade fachgerecht den Karpfen filetieren möchte, hängt der Haussegen schief. Aus Rache beißt die Frau jedem einzelnen der süßen Hohlkörper im roten Mantel den Kopf ab. Was sie nicht wusste: Der leidenschaftliche Sammler hatte alle Figuren schon vor Jahren mit hochgiftigem Insektizid behandelt, damit keine Schädlinge die Schokolade auffressen würden …
Weiter ging es mit einem einsamen Mittvierziger, der buchstäblich „lebensmüde“ ist. Viele Versuche unternimmt er, um dem tristen Dasein ein Ende zu bereiten, doch alle misslingen. Ein Sturz aus dem siebten Stock eines Hauses, die Einnahme eines Medikamentencocktails und der eigens angeheuerte Auftragsmörder können daran nichts ändern – es wird einfach nichts mit dem Sterben! Erst als die Liebe wieder Einzug in sein Leben halten könnte, ist es ein tragisches Unglück, das den Ärmsten schließlich doch ins Jenseits befördert.
„Es ist erstaunlich, wie es Stephan Hähnel gelingt, aus einfachen Alltagssituationen die skurrilsten Geschichten zu entwickeln. Er fabuliert ebenso munter über die Nutzung eines Dating-Portals und die dabei entstehenden Schwierigkeiten, wie er den Kauf eines neuen Ehebettes verarbeitet. Es war eine köstliche Lesung!“, schwärmte Adriana Bellmann, Leiterin der Meeraner Stadtbibliothek.
Dabei hatte sich Stephan Hähnel den Höhepunkt für den Schluss aufgehoben: die für das Programm namensgebende Geschichte von der „Kampfgans Luise“. Der Vogel wächst auf einem Biobauernhof auf, wo selbst die Verarbeitung zum Weihnachtsbraten möglichst schonend vonstatten gehen soll. So wartet Luise also gemeinsam mit ihren anderen Freundinnen, die so herrschaftliche Namen wie Diana, Maria Stuart oder Sissi tragen, auf den krönenden Abschluss eines schönen Gänselebens. Da das Leben jedoch auch bei Tieren nicht immer den vorgezeichneten Weg geht, sind es die Marquardts, die Luise für die festliche Tafel kaufen. Doch wie überrascht ist das Ehepaar, als der Bauer ihnen auch das Schlachten zu überlassen gedenkt. Das bringen die beiden nicht übers Herz und nehmen die echte deutsche Kampfgans stattdessen lebend und im Ganzen mit nach Hause.
Das Federvieh, welches man mit Brandy betäubt hatte, damit es von seinem Ende nichts merkt, schläft zunächst den Rausch unter dem Weihnachtsbaum aus. Als dann ein Weihnachtsmann die erstaunten Marquardts besucht, der sich gleich darauf allerdings als fieser Einbrecher entpuppt, beweist die Gans, was in ihr steckt. Mit viel Gezeter, Gezische und einem mörderisch starken Schnabel schlägt sie den Bösewicht in die Flucht und hat sich damit einen Ehrenplatz im Haus der Marquardts erkämpft. Vom Braten und Essen ist dann schon lange keine Rede mehr …
Das Publikum bedankte sich mit tosendem Applaus bei Stephan Hähnel für diesen wundervoll heiteren Abend. Kein Zweifel – die Weihnachtszeit lässt sich auch mit viel schwarzem Humor wunderbar in Einklang bringen!