„In diesem Land…“ Deutschland 1923 - Roman Knižka und das Bläserquintett OPUS 45 begeisterten das Meeraner Publikum
Wie Geschichte lebendig werden kann – dies erlebte das Publikum des Literarischen Kammermusik-Abends „In diesem Land… Deutschland 1923 – Das Krisenjahr“ am 19. Oktober 2023 in der Meeraner Stadthalle. Der Schauspieler Roman Knižka und das Bläserquintett OPUS 45 unter Leitung von Benjamin Comparot entführten die Gäste 100 Jahre zurück in die Weimarer Republik, in die politisch dramatische und kulturell faszinierende Welt des Jahres 1923, gleichzeitig das schwerste Jahr seit ihrer Gründung.
„Franzosen und Belgier besetzen das Ruhrgebiet. Die Bevölkerung leistet Widerstand!“ – „Inflation – der Kurs der Mark fällt immer schneller!“ – „In Berlin kostet ein Liter Vollmilch 280 Milliarden Mark.“ – „Separatisten putschen in Trier.“ – „Reichswehrtruppen marschieren in Sachsen ein.“ – „Adolf Hitler putscht in München.“ – diese Schlagzeilen beherrschen Deutschland 1923. Roman Knižka nimmt diese Schlagzeilen auf. Er berichtet aus Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur und Sport dieses Jahres, liest vor, was ein spanischer Auslandskorrespondent aus Deutschland nach Hause berichtet und was der britische Botschafter in seinem Tagebuch vermerkt, rezitiert politische Reden von Friedrich Ebert oder Gustav Stresemann, lässt Werke von Schriftstellern wie Rainer Maria Rilke, Egon Erwin Kisch oder Kurt Tucholsky aufleben und singt, unter anderem die Stücke „Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen“ oder „Ausgerechnet Bananen“.
Das Roggenbrot kostet im Januar 1923 noch weniger als 50 Pfennige, im Februar fast 400 Mark, im November werden es Milliarden sein. Die Lebensmittelpreise steigen rasant, viele Menschen verarmen, die Selbstmordrate steigt, Hass gegen Ausländer und Juden flammt auf und der spanische Auslandskorrespondent schreibt: „Das Leben in Deutschland ist von Unsicherheit bestimmt.“ Putschversuche und Aufstände verstärken diese Unsicherheit. Gewinner sind Geschäftsleute und Schuldner und ein Teil der Bevölkerung genießt weiter seine elitären Vergnügungen. Das Nachtleben in Berlin blüht. Aber es gibt auch das Bauhaus in Weimar, das 1923 seine erste große Ausstellung präsentiert.
Mit dem Scheitern des Hitler-Putsches am 9. November 1923 in München ist die „nationale Revolution“ zu Ende, vorerst. Zum Ende des Jahres 1923 geht Deutschland mit der Einführung der Rentenmark und der beginnenden Normalisierung im besetzten Ruhrgebiet „mit leisem Optimismus“ ins neue Jahr. In Berlin sind die Silvesterbälle ausverkauft.
Musikalisch begleitet wird die „Reise“ durch das Jahr 1923 vom Bläserquintett OPUS 45, das Werke unter anderem von Carl Nielsen, Paul Hindemith, Jacques Ibert, Erwin Schulhoff und Hanns Eisler spielt.
Das große schauspielerische Können von Roman Knižka und die künstlerischen Darbietungen der Musikerinnen und Musiker lassen den Abend zu einem ganz besonderen Erlebnis werden, was das Publikum am Schluss mit großem Beifall belohnt. Doch Roman Knižka und das Bläserquintett OPUS 45 wollen mit dem Programm „In diesem Land…Deutschland 1923“ nicht nur die Atmosphäre der 1920er Jahre aufleben lassen, sondern das Ensemble wirft die Frage auf „Sind wir auf dem Weg zurück nach Weimar?“
Der Blick zurück soll Denkanstöße liefern und aufzeigen, welche Erkenntnisse wir aus den Krisen und dem Scheitern der ersten deutschen Demokratie für uns heute ziehen können.
Grundlage des Programmes sind Originaltexte und Berichte aus dem Jahr 1923. „Es gibt leider wahnsinnig viele Parallelen zu unserer heutigen Zeit. Deshalb sind wir mit einer Botschaft hier: Demokratische Werte sind uns nicht in den Schoß gefallen, sie sind errungen! Wir müssen etwas tun, damit sie erhalten bleiben“, wandte sich Roman Knižka am Ende direkt an das Publikum.
Präsentiert wurde der Abend von der Partnerschaft für Demokratie Meerane. Bürgermeister Jörg Schmeißer, der die zahlreichen Gäste, darunter Altbürgermeister Dr. Peter Ohl, Meeraner Stadträtinnen und Stadträte und der frühere sächsische Staatsminister der Justiz und für Europa und Bundestagsabgeordnete Dr. Jürgen Martens, zu Beginn der Veranstaltung begrüßt hatte, bedankte sich zum Abschluss herzlich bei Roman Knižka und den Künstlerinnen und Künstlern auf der Bühne, beim Publikum und der Partnerschaft für Demokratie Meerane. „Demokratie ist unser höchstes Gut“, betonte er, bevor er die Gäste zu Gesprächen und zum weiteren Verweilen in der Stadthalle einlud.
„Das war ein ganz phantastischer Abend mit wundervollen Künstlern“, war von vielen Gästen zu hören. Doch es gab auch nachdenkliche Töne zur aktuellen Situation in Sachsen und in Deutschland.