875 Jahre Remse – das 844-jährige Meerane gratuliert herzlich!

Glückwunsch-Gedanken zu 875 Jahre Remse aus dem nachbarlichen Meerane von Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer

Mit rund 400 Metern grenzt heute die Gemeinde Remse bei Dittrich an die Stadt Meerane. 2018 feiert unsere Nachbargemeinde Remse ihre erste urkundliche Erwähnung vor 875 Jahren, ausgelöst mit der Stiftung des Klosters Remse im Jahr 1143. Die Stadt Meerane verdankt ihre erste urkundliche Erwähnung dem Umstand, dass im Jahre 1174 der böhmische König Wladislaw II. in Meerane verstarb.

Alles begann in Remse mit einem Kloster.
Am 13. Februar 1133 stiftete bzw. gründete der Lausitzer Markgraf Heinrich von Groitzsch eine Benediktinerabtei im Ortsteil Thalbürgel der heutigen Stadt Bürgel (nahe Jena) als Kloster Bürgel.
10 Jahre nach der Stiftung des Klosters wurde im heutigen Remse 1143 ein Tochterkloster gegründet. Es diente dem Benediktinerorden des Klosters Bürgel. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde ein Benediktinerinnenkloster gegründet, das wohl ab 1216 den Namen Remse getragen hat. Eine Gründungsurkunde liegt wohl nicht vor.

Aufschlussreich ist nun die Frage, welche historischen Verbindungen Remse und Meerane aus dieser Zeit haben. Dazu ist es erforderlich, kurz in die Geschehnisse vor dem 12. Jahrhundert zu blicken.

Erstens. Da wären zunächst die Wenden.
Bekanntlich geht der Ursprung unserer Region bis zum Ende des 6. Jahrhunderts zurück, als die Wenden den Pleißen-Raum besiedelten und diesen als „pagus plisni“ bezeichneten. Beleg sind heute Orte mit unverkennbar slawischem Namen, wie Remse im Muldengebiet. Im Zuge der Eroberungen von König Heinrich I. (876-936) und seinem Sohn Otto der Große (912-973) wurde die Region in das Heilige Römische Reich integriert. Nach der Sicherung der Region kam es zur deutschen Besiedlung.
Zum Schutz der Region entstanden Reichsburgen (kaiserliche Burgen). Die Burgen wurden von Burggrafen befehligt. Mit ihnen begann die Christianisierung, die durch Mönche (Klosterbauten) vollzogen wurde. So ist auch das 1143 gestiftete Kloster Remse ein wichtiger Ausgangspunkt deutscher Besiedlung. Teil der Reichsaktivitäten war auch die Einrichtung von „kaiserlichen Burgwarten“.

Information Wenden: Ende des 6. Jahrhunderts besiedelten die Wenden (auch Sorbenwenden) den Pleißen-Raum.  Sie waren ein slawischer Volksstamm, der sein Gebiet in Distrikte abteilte und ihnen wendische Namen gab. Der Pleißen-Raum hieß „pagus plisni“: „plisni“ ist die sorbische Bezeichnung für den Fluss Pleiße. Da unklar ist, wie die Wenden den Distrikt bezeichneten, wurde in Folge die lateinische Bezeichnung „pagus“ für Flur oder Gau verwendet.  „Pagus“ war in altrömischer Zeit der Name der ländlichen Distrikte. König Heinrich I. (876–936) integrierte „pagus plisni“ in das Ostfrankenreich und damit später in das Heilige Römische Reich.

Zweitens. Ausschlaggebender Einfluss durch König Konrad III.
Entscheidende Geltung hatte für die Region Konrad III. als Stauferkönig 1093/94-1152 und König des Heiligen Römischen Reiches 1138-1152. Das Kloster Remse wurde durch seine Stiftung im Jahre 1143 gegründet. Wenig später entstand Remse als zugehöriges Klosterdorf. Die Gründung des Klosters war mit einer Schenkung von 100 Königshufen Land rechts und links der Zwickauer Mulde verbunden und diente der territorialen und wirtschaftlichen Festigung. Die Schenkung von Land durch König Konrad III. ist ein Beleg dafür, dass das Territorium als Reichslehen zu sehen war, das unmittelbar dem Reich und seinem Schutz unterstand.

Information Hufe: Im Heiligen Römischen Reich spielte der Begriff der Hufe insbesondere auch in der deutschen Ostsiedlung eine wichtige Rolle. Die Hufe entsprach im Zuge dieser Kolonisierung weitgehend unbewohnter Gebiete einer Standardfläche, die im Falle des Klosters Remse den Mönchen unterstellt wurde.

In der Geschichte der Stadt Meerane ist König Konrad III. ebenso gegenwärtig. Bedeutsam ist, dass er durch eine konsequente Heiratspolitik eine weit verzweigte Verwandtschaftsbande knüpfte. Mit Erfolg auch für den böhmischen Herzog Wladislaw II., der im Jahr 1140 durch seine Vermählung mit des Königs Schwester Gertrud von Babenberg sein Herzogtum erhielt, d. h. die Staufer belehnten Wladislaw II. mit Böhmen, da er durch die Hochzeit zum Schwager des Königs des Heiligen Römischen Reiches avancierte. Da nun Böhmen unmittelbar Teil des Reiches wurde (so genanntes Reichslehen), konnte das Reich weitere Lehen bzw. Herrschaften Böhmen zuordnen, so u. a. die „Herrschaft Meerane“ als Mitgift für Gertrud anlässlich der 1140er Heirat mit Wladislaw II..

Drittens. Von Konrad III. zu Friedrich I. Barbarossa.
Ziel der Staufer war der Ausbau eines zentralen Königstaates, wie er in England oder Frankreich gelang. Kaiser Friedrich I. Barbarossa gelang dieses Ziel eindrucksvoll. Er festigte die territorialen Beziehungen zu Böhmen. Um die Reichsburg Altenburg und von dem Reichsland „Pleißenland“ (terra plisnensis) ausgehend, verankerte er Böhmen fester im Reich. Er setzte ab 1152 die Politik Konrads III. erfolgreich fort.
Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1122-1190) bildete um 1158 das Reichsland Pleißenland („terra plisnensis“). Es bekam unter den Staufern mehr Gewicht. Es umfasste eine Region, deren Kern in etwa die Städte Zeitz, Werdau, Crimmitschau, Altenburg, Zwickau, Schmölln und Waldenburg beinhaltete und somit weit über das Flussgebiet der Pleiße hinaus griff.

Information Friedrich I.: Friedrich I., genannt Barbarossa, aus dem Adelsgeschlecht der Staufer, war von 1147 bis 1152 als Friedrich III. Herzog von Schwaben, von 1152 bis 1190 römisch-deutscher König und von 1155 bis 1190 Kaiser des römisch-deutschen Reiches (Heiliges Römisches Reich). Friedrich I. folgte 1152 Konrad III. nach dessen Tod als römisch-deutscher König.

Konrad III. fand in dem böhmischen Herzog Wladislaw II. einen Gleichgesinnten. Auch weil dessen Ehefrau Gertrud von Babenberg seine Schwester war, unterstützte er Wladislaw II. bereitwillig. Durch die Errichtung von Burggrafschaften organisierte Konrad III. das Reich neu, so 1143 in Meißen sowie in Altenburg. Konrad III. und Friedrich I. Barbarossa setzten damit in den Mittelpunkt alter Reichsgutkomplexe - wie die Mark Meißen - Burggrafen ein. Mit den Burggrafschaften wurden die Siedlungs- und Rodungsgebiete z. B. im Erzgebirge durch die Burggrafschaft Meißen fortgeführt. Begründet wurden auch die spätere Grafschaft Hartenstein sowie das Reichskloster Remse mit Mönchen des Reichsklosters Bürgel.

Viertens. Klostergründung in Remse unter Beteiligung der böhmischen Herzogsgattin Gertrud?
Anknüpfend an die 1140er Heirat Wladislaw II. mit Gertrud von Babenberg verbindet sich zunächst eine Klostergründung in Prag. Die ersten Klöster wurden in Böhmen schon im 10. Jahrhundert gegründet und gehörten dem Benediktinerorden an. Im 12. Jahrhundert drangen weitere neue Orden nach Böhmen vor, unter ihnen auch der Prämonstratenser-Orden, der damals gerade in Mode war. So gründeten in den Jahren 1140-1143 Wladislaw II. und seine Frau Gertrud auf dem Berg Strahov in Prag ein Prämonstratenser-Kloster.

Information Prämonstratenser: Die Prämonstratenser (lateinisch „Candidus et Canonicus Ordo Praemonstratensis“ = „Weißer und Kanonischer Orden von Prémontré“) sind der größte römisch-katholische Orden regulierter Chorherren. Der Orden ist ein Zusammenschluss selbständiger Klöster und wurde im Jahr 1120 von Norbert von Xanten mit dreizehn Gefährten in Prémontré bei Laon (Nord-Frankreich) gegründet.

Mit der Kloster-Gründung in Prag verbinden sich weitere Aktivitäten des böhmischen Herrscher-Paares. Es gibt eine Verbindung zur Stiftung des Klosters in Remse. In der beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen aus dem Jahr 1890 (Dreizehntes Heft: Amtshauptmannschaft Glauchau) werden die „Reste des ehemaligen Kloster Remse“ aufgeführt. Auf Seite 30 ist nachzulesen: „Nach einer Angabe des Propstes Peter Gerlach vom Jahre 1522 wurde das Kloster von dem Kaiser Konrad III. im Jahre 1147 für Nonnen des Benediktiner-Ordens, welche der Regel der heiligen Clara folgten, gestiftet und mit hundert königlichen Hufen Landes, wie acht Dörfer ausgestattet. Auch mag Gertrud, die im Jahre 1150 verstorbene Schwester des Kaisers, Gemahlin des böhmischen Königs Wladislaw II., an der Stiftung teilgenommen und dem Kloster einen Teil der ihr von Konrad als überlassene Herrschaft Meerane gestiftet haben.

Fünftens. Herrschaft Meerane.
In der bereits erwähnten beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen aus dem Jahr 1890 wird zu Meerane ausgeführt (Seite 22), dass die Veste Mer, aus der sich Meerane entwickelte, den Mittelpunkt der Herrschaft Meerane im südöstlichen Pleißengau einnahm. Ursprünglich wohl „kaiserliche Burgwarte“, fiel die Herrschaft Meerane durch die kaiserliche Prinzessin Gertrud, Schwester des Kaisers Konrad III., an ihren Ehemann, den König Wladislaw II. von Böhmen. Nach dem Tod Gertruds 1150 eignete er die Herrschaft Meerane seiner zweiten Ehefrau Juditha (Heirat 1153) zu.“   Es erfolgte eine Art Abtretung der Herrschaft Meerane als Witwensitz.

Information „Veste“: Die Bezeichnung „Veste Mer“ verweist auf die Existenz einer Burgwarte in Form eines wehrhaften „festen Hauses“, dem frühesten Bautyp von Burgen. Heute steht „Veste“ als ältere Bezeichnung für Burg. Die Burgwarten dienten in der damaligen Zeit der Sicherheit gegen die unruhigen Wenden. Ihre Befehlshaber hatten nicht den Rang eines Burggrafen, konnten jedoch bei Gefahr z. B. freie Grundbesitzer zum Kriegsdienst für den Kaiser und das Reich verpflichten. Aus den Burgwarten und Burgen entwickelten sich in Folge Ortschaften.

Sechstens. Der Tod des Königs.
Anzufügen ist, dass unter Herzog Wladislaw II. und Herzogin Gertrud sich das Herzogtum Böhmen zu einem stabilen und mächtigen Bestandteil des Reiches entwickelte. Wladislaw II. stand Friedrich I. Barbarossa politisch wie auch militärisch bei. Als Lohn für seine Reichstreue wurde das Herzogtum Böhmen 1158 zum Königtum Böhmen ernannt und Wladislaw II. erhielt die Königswürde. In den Jahren 1158-1172 absolvierte er seine Regierungszeit als zweiter böhmischer König. Der König musste sich 1173 nach einer Thronfolgeauseinandersetzung aus Prag absetzen und fand in seiner Herrschaft Meerane Zuflucht. Er verstarb am 18. Januar 1174 in Meerane, wohl im Alter von 64 Jahren. Es gibt nicht belegbare historische Hinweise, dass sein Leichnam zunächst in das Kloster Remse überführt wurde, seine Beerdigung in Meißen erfolgte und er später im Kloster Strahov (Prag) seine Ruhe fand. Mit dem Tod Wladislaw II. am 18. Januar 1174 in Meerane verblieb die Herrschaft zu Meerane weiterhin bei seiner Frau Judith.

Siebtens. Die Schönburger.
Über das 12. Jahrhundert hinaus verband Remse und Meerane die „Herren von Schönburg“.
Unter der Regierung des böhmischen Königs Wenzel II. (1278-1305) kam Meerane als Lehn an die Herren von Schönburg, blieb aber bis zum Jahr 1779 der Krone Böhmens noch lehenspflichtig.
Wenzel II. war ein Urenkel des Königs Wladislaw II..

Blickt man z. B. in das 17./18. Jahrhundert, so sind die reichsgräflich schönburgischen Herrschaften und Ämter entscheidend. Die Herren, ab 1700 Grafen und ab 1790 in der „oberen“ Linie Fürsten von Schönburg, stammten von der Schönburg bei Naumburg und hatten bereits um 1170 das Gebiet um Glauchau als reichsunmittelbares Lehen erhalten. Um 1300 erwarben sie die Herrschaft Meerane, 1375/78 die Herrschaft Waldenburg, 1406/39 die Grafschaft Hartenstein, und 1543 erhielten sie durch Kauf und Tausch noch die Herrschaften Wechselburg, Penig, Rochsburg und Remse als sächsisches Lehen.
Interessant ist noch, dass zur Herrschaft Meerane urkundlich und namentlich benannt (1361) außer der Stadt Meerane („oppidum Mare“) u. a. das Dorf Tettaw (Tettau) zählte, das 1492 an das Kloster Remse ging, aus dessen gesamten Besitzungen die Lehnsherrschaft Remse der Schönburger entstanden ist.


Resümee.

Wenn ein „Geburtstag das Echo der Zeit ist“ (Evelyn Waugh), dann war es dem jüngeren Meerane ein Anliegen, zum 875sten Geburtstag des älteren Remse in das Echo der frühen Zeit hineinzuhören. Im Ergebnis lassen sich die historischen Verbindungen Remse und Meerane mit fünf Stichwörtern kennzeichnen: Wenden - Konrad III. und Friedrich I. Barbarossa - Kloster und Burgwarte - Wladislaw II. und Gertrud - Schönburger.

Die Stadt Meerane gratuliert zu 875 Jahre Remse und überreicht als Geschenk eine Kopie der Lithographie „Schloß Remissa“ (von Carl Wilhelm Arldt), erschienen 1840, die das Herrenhaus mit dem ehemaligen Westwerk der Klosterkirche zeigt.