Erinnerung und Gedenken, Versöhnung und Verständigung - Sonderausstellung „Flucht und Vertreibung – Neue Heimat Meerane“ eröffnet
Die neue Sonderausstellung „Flucht und Vertreibung – Neue Heimat Meerane“, die bis 21. Juli 2019 im Heimatmuseum Meerane im Alten Rathaus zu sehen sein wird, stieß bereits zur Eröffnung auf großes Interesse. In der Ausstellung werden die persönlichen Schicksale und Erinnerungen von Meeraner Bürgerinnen und Bürgern, deren Leben durch Flucht und Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten wesentlich geprägt wurden, dokumentiert.
Erarbeitet hat diese Ausstellung Johannes Groschwitz, auf Grundlage seiner mit den Zeitzeugen geführten Interviews und den von ihnen zur Verfügung gestellten Fotos und Dokumenten. In der Ausstellung erzählen Erika Schilling, Johann Richter, Emil Thöner, Heinz Lukes, Herbert Augsten und Otto Weiniger über ihre Schicksale und Erinnerungen; Ulrich Weidauer schildert die Erlebnisse seiner Mutter. Zu den Meeraner Zeitzeugen kommt Hildegard Loos aus Lichtenstein.
Neben den Ausstellungstafeln mit den persönlichen Geschichten der Zeitzeugen informieren weitere Tafeln über die geschichtlichen Hintergründe und die Besiedlungsgeschichte der deutschen Ostgebiete, über die verschiedenen landsmannschaftlichen Gruppen und die Zuflucht und Aufnahme im Nachkriegsdeutschland, die sich in West- und in Ostdeutschland unterschiedlich gestaltete.
Zur Gedenkstunde am 17. Mai 2019 in der Stadtbibliothek begrüßten Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer und Johannes Groschwitz neben den Zeitzeugen und ihren Familien über 100 interessierte Bürgerinnen und Bürger.
„Wir möchten an Vorgänge erinnern, die bisher öffentlich wenig im Blickpunkt waren. Aber Erinnerung hat kein Verfallsdatum. Wir wollen nicht verdrängen, vergessen oder verschweigen. Viele von Ihnen haben große Verluste erfahren, haben Familienangehörige, Freunde und Heimat verloren“, betonte Professor Dr. Ungerer.
Er erinnerte in einem kurzen geschichtlichen Rückblick, beginnend mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 in Deutschland, an die Ereignisse, die zum Ende des 2. Weltkrieges zur Flüchtlingswelle vor der Roten Armee mit dem Rückzug der Wehrmacht, zu Vertreibung und später Aussiedlung führten. „In Ost- und Mitteleuropa entladen sich die Ressentiments der jahrelang unterdrückten Völker gegenüber der deutschen Zivilbevölkerung. Hass und Zerstörung sind die Antwort auf die Gewaltverbrechen der Nazis. Willkürliche Übergriffe, Morde, Hinrichtungen, Vergewaltigungen, Enteignungen, Demütigungen und Repressalien treffen die verhassten Deutschen mit ganzer Härte“, führte er aus. 12 Millionen Deutsche waren betroffen, 2 Millionen verloren ihr Leben oder gelten als vermisst.
Rund 10.000 Flüchtlinge und Vertriebene zogen nach Kriegsende durch Meerane, rund 4.000 blieben zunächst in der Stadt, um 1950 waren es noch ca. 2.000, die hier eine neue Heimat fanden. Neuanfang und Integration galt es für die Heimatvertriebenen zu meistern, und auch sie haben mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten, in vielfältiger Weise, zum Aufbau der Stadt und der Unternehmen beigetragen. „Die große menschliche Leistung wurde in der damaligen DDR nicht angesprochen und viel zu wenig gewürdigt“, so Professor Dr. Ungerer.
Anliegen der Ausstellung ist es jedoch auch, an die Bereitschaft und Solidarität der Meeraner zu erinnern, die bereit waren, Flüchtlinge und Vertriebene in ihre Häuser und Wohnungen aufzunehmen. Nicht immer verlief dies reibungslos, und auch die Zeitzeugen berichten von sehr unterschiedlichen Erfahrungen. „Zwangszuweisungen von Wohnraum und die kriegsbedingte Knappheit von Lebensmitteln führten natürlich zu Spannungen, die Zeitzeugen berichteten auch von Vorurteilen und Ausgrenzungen. Die Dimension der Vertreibung konnte mancher Einheimische nicht erfassen“, erklärte Johannes Groschwitz.
Zur Gedenkstunde stellte er die Schicksale der Zeitzeugen kurz vor, die ganz unterschiedlich, aber immer schmerzlich mit dem Verlust der früheren Heimat verbunden sind. Manche der Zeitzeugen waren damals noch im Kindesalter.
In einem kurzen Interview zur Gedenkstunde erzählte Herbert Augsten, der mit Eltern, Großmutter und Bruder im Juni 1945 den Heimatort Haindorf im Sudetenland verlassen musste, von seinen Erinnerungen und Erlebnissen. Er ist einer der Zeitzeugen, der heute sagt: „Wir sind richtige Meeraner geworden!“ Herbert Augsten hob jedoch auch besonders hervor, was alle Zeitzeugen eint: Sie hegen keinen Groll oder Hass, sie setzen auf Verständigung und Versöhnung, und sie sagen: Nie wieder Krieg!
Bürgermeister Professor Dr. Ungerer und Johannes Groschwitz dankten abschließend den Zeitzeugen sehr herzlich für ihre große Unterstützung und vor allem für ihre Bereitschaft, über ihre Schicksale zu berichten. „Ich weiß, dass es für viele nicht einfach war, dass die Interviews und Gespräche viele Emotionen wieder geweckt haben. Das war auch für mich sehr bewegend, vielen Dank!“, wandte sich Johannes Groschwitz an die Zeitzeugen.
Zur Erinnerung und zum Gedenken wird künftig ein Baum im Meerchenwald der Stadt an die Leistungen der Vertriebenen erinnern, „als Dank der Stadtgesellschaft, als kleines Zeichen der Anerkennung“, so Bürgermeister Professor Dr. Ungerer.
Die Sonderausstellung „Flucht und Vertreibung – Neue Heimat Meerane“ wird im Heimatmuseum Meerane im Alten Rathaus bis 21. Juli 2019 gezeigt. Danach werden die Ausstellungstafeln Teil der Dauerausstellungen der Stadt.
Öffnungszeiten des Heimatmuseums während der Sonderausstellung:
Montag 09:00-12:00 Uhr; Dienstag und Donnerstag 09:00-12:00 Uhr und 14:00-17:00 Uhr, Sonntag 14:00-17:00 Uhr. Pfingstmontag und Christi Himmelfahrt geschlossen.
Gedenkstunde in der Stadtbibliothek.
Bild links: Ulrich Weidauer, Herbert Augsten, Johannes Groschwitz, Johann Richter und Heinz Lukes mit dem Ehepaar Loos aus Lichtenstein (von links) zur Ausstellungseröffnung im Heimatmuseum im Alten Rathaus. Rechts im Bild die Glauchauerin Mechthild Knape, die sich ebenfalls als Zeitzeugin meldete. Mit ihrer Geschichte wird die Ausstellung ergänzt. Bild rechts: Johann Richter vor den Ausstellungstafeln, die über das Schicksal seiner Familie berichten.
In der Sonderausstellung „Flucht und Vertreibung – Neue Heimat Meerane“ erzählen Erika Schilling, Johann Richter, Emil Thöner, Heinz Lukes, Herbert Augsten und Otto Weiniger über ihre Schicksale; Ulrich Weidauer schildert die Erlebnisse seiner Mutter. Zu den Meeraner Zeitzeugen kommt Hildegard Loos aus Lichtenstein (nicht im Bild). Johannes Groschwitz (li.) hat die Ausstellung erarbeitet. Das Foto entstand zum Pressegespräch im Vorfeld der Ausstellungseröffnung.