Ein außergewöhnliches Ereignis der Meeraner Stadtgeschichte

Wie die Meeraner vor 500 Jahren König Ludwig II. von Böhmen, Ungarn und Kroatien beschäftigten und am 24.02.1522 ihren „Böhmischen Vertrag“ erstritten.

Eine Zusammenfassung der Ereignisse von Bürgermeister Professor Dr. Lothar Ungerer (Stand: 08.02.2022)

Die früheste schriftliche Nennung unserer Stadt in einer Urkunde, dem für das Mittelalter (Zeit zwischen dem Jahr 500 und dem Jahr 1500) so wichtigen und typischen Rechtsdokument, stammt aus dem Jahr 1174. Diese erste urkundliche Erwähnung bedeutet nicht, dass Meerane damals erst gegründet wurde, sondern ist der sichere Nachweis dafür, dass es bereits bestand.
Ausgehend von 1174 gibt es in der 848jährigen Tradition Meeranes eine Vielzahl von Ereignissen, die in der Stadtchronik überliefert sind. Das Geschehen um den „Böhmischen Vertrag“ unterbrach jedoch als etwas sehr Bemerkenswertes den alltäglichen Ablauf in unserer Stadt.

Auf den Punkt gebracht: Es bedurfte des Königs als Streitschlichter, um das Geld der Stadt und die Finanzen ihrer Einwohner vor dem Zugriff der Herren von Schönburg zu schützen.

Ausgangspunkt:
In der Geschichte der Stadt Meerane ist Konrad III., König des Heiligen Römischen Reiches, kurz gegenwärtig. Bedeutsam ist, dass er durch eine konsequente Heiratspolitik eine weit verzweigte Verwandtschaftsbande knüpfte. Mit Erfolg auch für den böhmischen Herzog Wladislaw II., der im Jahr 1140 durch seine Vermählung mit des Königs Schwester Gertrud von Babenberg sein Herzogtum erhielt, d. h. König Konrad III. belehnte Wladislaw II. mit Böhmen, da er durch die Hochzeit zum Schwager des Königs avancierte. Da nun Böhmen unmittelbar Teil des Reiches wurde (so genanntes Reichslehen oder Kronlehen), konnte das Reich weitere Lehen bzw. Herrschaften Böhmen zuordnen, so u. a. die Herrschaft Meerane als Mitgift für Gertrud anlässlich der 1140er Heirat mit Wladislaw.

Nach dem Tod Gertruds 1150 eignete Wladislaw die Herrschaft Meerane seiner zweiten Ehefrau Juditha (Heirat 1153) zu. Nach seinem Rückzug aus Prag als König von Böhmen verstarb Wladislaw II. am 18.01.1174 in Meerane. In Folge belehnte das böhmische Königshaus die Herren von Schönburg mit der Herrschaft Meerane.
Das böhmische Königshaus gab als Eigentümer (Lehnsherr) die Herrschaft Meerane als Lehen unter der Bedingung gegenseitiger Treue in den erblichen Besitz der Herren von Schönburg. Diese wurden zu Lehensmännern und bestritten aus all ihren Lehen ihren Lebensunterhalt. Eigentümer blieb jedoch der böhmische König als Lehensherr. Besitzer und direkter Nutznießer und auch zuständig für Verwaltung und Pflege wurden die Herren von Schönburg als Lehensmänner.

In diesem Zusammenhang wurde Meerane in einer Lehensurkunde aus dem Jahr 1361 erstmals als Stadt benannt („oppidum mare“). Nach dieser Urkunde zählten zur Stadt bzw. zur Herrschaft Meerane Seiferitz, Dennheritz, Höckendorf, Tettau, Gesau und 1369 Vorwerk Dittrich (benannt nach Dittrich von Schönburg).

Zeitsprung:
Am 26.01.1489 verstarb der Schönburger Ernst I. Herr zu Glauchau, Waldenburg, Lichtenstein und Hartenstein bei der Belagerung von Grimberg/Flämisch-Brabant im Burgundischen Erbfolgekrieg im Kriegsgefolge von Albrecht von Sachsen, Markgraf von Meißen (Albrecht der Beherzte) an einer Verwundung.
Er hinterließ zwei Söhne: Wolf I. und Ernst II., die jedoch unter der Vormundschaft ihrer Mutter Anna, Frau von Glauchau (geb. Gräfin von Rieneck), standen. Beide traten 1512 die Regierung über Glauchau, Waldenburg, Lichtenstein und Hartenstein an. Damit verfügten sie in ihrer Eigenschaft als Lehensmänner auch über die Herrschaft Meerane.
Dabei galt zu Meeranes Schutz immer noch die privilegierte böhmische Lehenstradition, dass die Herrschaft Meerane den Schönburgern für ihre Grundstücke kein Lehngeld zu entrichten hatten. Meerane hatte das Vorrecht, z. B. bei Besitzwechsel von städtischen Grundstücken keine Abgabe an die Schönburger abzuführen. Diese verblieb in der Stadt bzw. beim Rat der Stadt Meerane.  

Die Schönburger beanspruchten jedoch in ihren Herrschaftsgebieten Glauchau, Waldenburg, Lichtenstein und Hartenstein ein Lehngeld als Gebühr, die fünf Prozent des Grundstückswertes betrug. Sie zielten darauf ab, das Lehngeld auch für die städtischen Hausgrundstücke zu erheben. Die Meeraner sollten gezwungen werden, die Lehen im Amt Glauchau zu nehmen und das Lehngeld dort abzuführen. Darüber stritten sich die Städtischen zu Meerane mit den Herrschaftlichen zu Schönburg leidenschaftlich.

Kurzum: Die Schönburger zu Glauchau wollten den Meeranern ans Geld. Diese verweigerten der Lehnsgeldpflicht mit Verweis auf die jahrhundertelange böhmische Lehenstradition der Lehnsgeldbefreiung. Es kam zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen „denen da Oben (Schönburger) und denen da Unten (Meeraner)“, die am Ende König Ludwig II. von Böhmen, Ungarn und Kroatien (1506-1526) befrieden musste.

Ludwig II. begann seine Herrschaft sowohl in Böhmen als auch in Ungarn als Zehnjähriger im Jahre 1516, zunächst unter Vormundschaft, die mit Erklärung seiner Volljährigkeit im Januar 1522 endete. Er befehligte als König und oberster Lehensherr für den 24. Februar 1522 das Ende der Streitigkeiten über die Lehnspflicht durch Abschluss eines Vertrages zwischen den Schönburgern Wolf I. und Ernst II. einerseits und den Städtischen zu Meerane („denen von Meraw“) andererseits.
Als Unterhändler bestimmte er Burggraf Hugo zu Leißnig (Penig), Sebastian von der Weidmühle zu Comotau (heute Chomutov), Hans Pflug Herrn von Rabenstein, Steffen Schlick Graf zu Passau.

Der ausgehandelte sogenannte „Böhmische Vertrag“ bestimmte nun, dass die Städtischen zu Meerane die Lehen von der Herrschaft selbst oder deren Vertreter nehmen und empfangen sollen (Meerane als Lehen, integriert in die Herrschaft Glauchau). Jedoch sollten die Einwohner mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht verpflichtet sein, Lehngeld zu geben. Das bedeutet, dass die Meeraner auch nicht rückwirkend zur Zahlung verpflichtet werden dürfen, wie dies bei anderen Lehensgebieten der Schönburger der Fall war. Die Historie wurde nicht beladen, d. h. die Herrschaft Meerane war den Herren von Schönburg durch den König ohne „Beschwerung“ geliehen.

Für die Zukunft regelte der Vertrag, dass bei Verkauf von Gütern jeder Meeraner der Herrschaft den 35. Groschen als Lehngeld (Kaufgroschenabgabe oder Verkaufsabgabe) zu geben hat, Erbfälle waren davon ausgenommen.

Nachzutragen wären:
König Ludwig II.
starb am 29.08.1526 im Krieg Ungarns gegen die Osmanen in der Schlacht bei Mohács.

Im Jahr 1570 verordneten die Schönburger mit Hans Gottfried (genannt Götz) den ersten Bürgermeister Meeranes, neben dem Stadtvogt Georg Kemnitz. Dies erfolgte zeitgleich mit dem Baubeginn des Rathauses. Nach dem Stadtbrand im Jahre 1420 war Meerane bekanntlich 150 Jahre ohne Rathausgebäude. Die Fertigstellung war im Jahr 1572, vor 450 Jahren. Bürgermeister Hans Gottfried starb am 16.06.1578.

In Glauchau existierte mit dem Begriff „Meeranesen“ eine alte Bezeichnung für die Meeraner Einwohner.

Die Geschichte der Stadt wurde wesentlich von den Herren von Schönburg bestimmt und reichte bis ins Jahr 1878. Im Jahr 1779 erlangte Kursachsen im Frieden von Teschen von Maria Theresia als böhmische Königin die oberlehensherrlichen Rechte über die Schönburger Herrschaften.

Nach dem Übergang des Königreichs Sachsen zur konstitutionellen Monarchie mit der Verfassung vom 4. September 1831 wurde zwischen der sächsischen Regierung und den Schönburgern ein begrenztes Eigenleben der Schönburgischen Herrschaften vereinbart, das jedoch letztlich den Prozess der Eingliederung in den sächsischen Staat beschleunigte. Dies führte dazu, dass am 25. August 1847 erstmals ein sächsischer König Meerane betrat. König Friedrich August II. von Sachsen besuchte mit Königin Marie Meerane und wurde hier begeistert empfangen.

Auf Grundlage des deutschen Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 übernahm die sächsische Regierung zum 1. Dezember 1878 die volle Justiz- und Verwaltungshoheit über die Schönburgischen Herrschaften. Danach waren die Schönburger endgültig keine Träger staatlicher Hoheitsrechte mehr. Dies fand auch seinen Niederschlag in der späteren Verfassung des Freistaates Sachsen vom 1. November 1920. Artikel 52 der Verfassung lautet: „Die öffentlich-rechtlichen Sonderrechte der Häuser Schönburg und Solms-Wildenfels werden aufgehoben.“