Das Freundetrio Erich Kästner, Erich Knauf und Erich Ohser im dritten Reich - Jürgen Seul stellte seine Forschungsergebnisse in Meerane vor

Die Lebens- und Wirkungsgeschichte des Freundetrios Erich Kästner, Erich Knauf und Erich Ohser stand im Mittelpunkt eines Vortragsabends mit Jürgen Seul am 8. Mai 2023 in der Meeraner Stadtbibliothek, zu dem die Partnerschaft für Demokratie Meerane eingeladen hatte.

Den 1895 in Meerane geborenen Erich Knauf, Journalist, Schriftsteller, Lektor und Liedtexter, verband ab 1922/23 eine enge Freundschaft mit dem Zeichner und Karikaturist Erich Ohser, bekannt als "e.o.plauen" (geboren 1903 im Vogtland), sowie Erich Kästner, Schriftsteller, Publizist, Drehbuchautor und Kabarettdichter (geboren 1899 in Dresden). Später lebten und arbeiteten alle drei in Berlin.
Jürgen Seul untersucht in einem mehrjährigen Forschungsprojekt insbesondere die Geschichte des Freundetrios im Dritten Reich und stellte zum Vortragsabend in Meerane seine Erkenntnisse einem interessierten Publikum vor.

Im ersten Teil informierte Jürgen Seul zum Leben, zur Ausbildung und zum beruflichen Werdegang von Erich Knauf, Erich Ohser und Erich Kästner bis in die 1920er Jahre.
Die Tätigkeit Erich Knaufs als Redakteur bei der „Volkszeitung für das Vogtland“ in Plauen von 1922 bis 1928 war es, der ihn – anlässlich einer Kunstausstellung in Plauen – zunächst mit Ohser zusammenbrachte. Über Ohser kam es 1923 auch zur Freundschaft mit Erich Kästner. Knauf veröffentlichte Gedichte von Kästner in der „Volkszeitung für das Vogtland“, die oftmals durch Ohser illustriert wurden. Seit dieser Zeit verband die „drei Erichs“ eine enge Freundschaft miteinander. Kästner arbeitete 1924 als Redakteur bei der „Neuen Leipziger Zeitung“. Für das Blatt wurde auch Ohser als fester freier Mitarbeiter regelmäßig tätig. Die drei Erichs trafen sich privat wie auch beruflich immer wieder.
Der sogenannte Beethovenskandal von 1927 führte zur Entlassung von Kästner und Ohser bei der „Neuen Leipziger Zeitung“. Das Kästner-Gedicht "Abendlied eines Kammervirtuosen" sorgte nach seiner Veröffentlichung in Leipzig aufgrund der Wortwendungen und auch aufgrund der eindeutigen Karikatur von Ohser für einen Skandal, da es offensichtlich ein Stelldichein mit einer Geliebten beschreibt.
Kästner zog nach Berlin und schrieb dort Rezensionen, Theaterkritiken und Drehbücher. Ab 1928 gab er Gedichtbände heraus, die Ohser illustrierte. Ohser machte 1927 seinen Abschluss an der Leipziger Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe und zog ebenfalls nach Berlin um.
Erich Knauf folgte seinen Freunden im Sommer 1928 nach Berlin. Die Büchergilde Gutenberg hatte ihn zum leitenden Lektor ernannt. Er war verantwortlich für das anspruchsvolle Verlagsprogramm und die Zeitschrift der Büchergilde – es ist sein "Traumberuf", wie Jürgen Seul sagte.

Die Zeit von 1927 bis 1933 überschreibt Jürgen Seul mit "Die politischen Erichs". Kästner politisiert in Aufsätzen und Gedichten; er ist gegen den Nationalsozialismus und ein leidenschaftlicher Vertreter des Pazifismus. Ohser, selbst Mitglied des SPD, zeichnet ab 1931 verstärkt politische Satire. Jürgen Seul zeigte einige der Karikaturen Ohsers, die Hitler und Goebbels darstellen.
Knauf trat 1928 aus der SPD aus, weil er sich über deren Zerstrittenheit ärgerte. Er schrieb seinen Reportage-Roman über seine Erlebnisse während des Kapp-Putsches, veröffentlicht 1930 im „Vorwärts“.

Im dritten Teil seines Vortrages "Der Pakt mit dem Teufel" beschreibt Jürgen Seul die Jahre ab 1933. Bei der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 in Berlin werden auch Werke von Erich Kästner und – was bislang eher unbeachtet geblieben ist – die von Knauf verbrannt, da sie als "undeutsch" diffamiert werden. Kästner schreibt weiter Bühnenstücke und Drehbücher, aber unter verschiedenen Pseudonymen. Seine Bücher erscheinen in der Schweiz, da Kästner keine Berufserlaubnis als Schriftsteller erhielt.
Für Erich Ohser bedeutete die Machtergreifung der Nationalsozialisten zunächst das Ende als politischer Zeichner. Ab 1934 veröffentlicht er, allerdings unter dem später bekannten Pseudonym e.o.plauen, seine sehr erfolgreichen Vater- und Sohn-Bildergeschichten. Mit diesen Zeichnungen wird er in ganz Deutschland bekannt.
Erich Knauf wird nach einer Kritik über eine Opernaufführung von "Carmen" in der Berliner Staatsoper, die zum Machtbereich von Hermann Göring gehörte, verhaftet und 1934 einige Wochen in den Konzentrationslagern Oranienburg und Lichtenburg inhaftiert. Aus dem Reichsverband der Deutschen Presse wird er deshalb ausgeschlossen, arbeitet daraufhin freiberuflich, weil er zumindest noch in der Reichsschrifttumskammer Mitglied bleiben und damit als Schriftsteller und Werbetexter arbeiten durfte. 1936 wird er Pressechef der Filmproduktionsgesellschaft Terra-Filmkunst GmbH und betreut hier vor allem Produktionen mit Heinz Rühmann. Ab 1941 schreibt er Texte für Schlager von dem ebenfalls in Meerane geborenen Werner Bochmann. Die bekanntesten sind "Heimat, deine Sterne" und "Mit Musik geht alles besser."
Erich Ohser veröffentlichte auf Veranlassung von Joseph Goebbels ab 1940 bis März 1944 im NS-Wochenblatt "Das Reich" wieder politische Karikaturen, die sich inhaltlich gegen die Kriegsgegner Deutschlands und ihre Politiker richteten. Erich Knauf betreute als Terra-Pressechef neben zahlreichen Unterhaltungsfilmen wie „Die Feuerzangenbowle“ auch den antisemitischen NS-Propagandafilm "Jud Süß", der 1940 erscheint. Kästner wiederum schrieb auf Veranlassung von Goebbels und unter Pseudonym das Drehbuch zum Ufa-Jubiläumsfilm „Münchhausen“ (1943) mit Hans Albers in der Hauptrolle.
Jürgen Seul hinterfragt an dieser Stelle zum Stichwort "innere Emigration" kritisch, inwieweit die Merkmale einer solchen tatsächlich auf Kästner, Knauf und Ohser zutrafen. "Es lässt sich hier keine vollständige Einordnung vornehmen", fasst er seine Ergebnisse zusammen.

Im vierten Teil seines Vortrags "Vor dem Volksgerichtshof" berichtete Jürgen Seul von den Ereignissen, die zur Anklage von Erich Knauf und Erich Ohser vor dem Volksgerichtshof führten. Beide wohnten ab Ende 1943 durch die Zerstörung ihrer Wohnhäuser mit den Eheleuten Schultz in einem Wohnhaus in Berlin-Kaulsdorf zusammen. Mitte Februar 1944 machten diese erstmals und Mitte März 1944 erneut Meldung über Knaufs und Ohsers angeblich "zersetzende Äußerungen" über die Kriegssituation und über Hitler und andere NS-Größen. Gemeint waren vor allem die politischen Witze, die sich die Freunde erzählten.
Ohser erhielt eine Warnung und sogar ein Angebot zur Flucht, aber zum einen befürchtete dieser die damals übliche "Sippenhaft" seiner Familie durch die Nationalsozialisten und zum anderen hielten es wahrscheinlich weder Ohser noch Knauf für möglich, was später geschah, so Jürgen Seul. Wie bekannt wurden Erich Knauf und Erich Ohser am 28. März 1944 verhaftet. Knauf gab nichts zu und stritt alles ab. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch gestand Ohser u.a. in einem Brief an Goebbels die Vorwürfe, widerrief kurz darauf und beging in der Untersuchungshaft am 5. April 1944 Selbstmord.
Erich Knauf wurde wegen "Wehrkraftzersetzung und landesverräterischer Feindbegünstigung" vor dem Volksgerichtshof unter dem Vorsitz des sogenannten „Blutrichters“ Roland Freisler angeklagt. Ein Freund versuchte während der Verhandlung, die Glaubwürdigkeit der Zeugen Schultz infrage zu stellen. Vergeblich. Knauf wurde am 6. April 1944 zum Tode verurteilt.
Heinz Rühmann reichte ein Gnadengesuch ein, Erich Knauf selbst ebenfalls, alles ohne Erfolg. Erich Knauf wurde am 2. Mai 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Seine Frau Erna erhielt eine Kostenrechnung über die Hinrichtung, die sie bezahlen musste.

Wie Jürgen Seul abschließend berichtete, nahm Erich Kästner nach dem Krieg Kontakt zu den Witwen von Knauf und Ohser auf. "Zum Glück gibt es auch den Meeraner Schriftsteller Wolfgang Eckert, der ebenfalls den Kontakt zur Witwe von Erich Knauf suchte und von dieser später den Nachlass von Knauf erhalten hat", fügte er hinzu: "Damit ist der in zeitgeschichtlicher und biografischer Hinsicht wertvolle Nachlass für die Nachwelt gesichert. Das ist ein großer Verdienst von Wolfgang Eckert!"
Wolfgang Eckert würdigte Erich Knauf in der 1998 erschienenen Biografie "Heimat, deine Sterne. Leben und Sterben des Erich Knauf" (erweiterte Fassung 2018 im Vergangenheitsverlag Berlin).

Zu den Gästen der Lesung gehörten auch Bürgermeister Jörg Schmeißer und Stadträtin Sabine Martens, die gemeinsam mit Juliane Richter von der Partnerschaft für Demokratie Meerane im Anschluss an den Vortrag mit Jürgen Seul ins Gespräch kamen. "Es ist wichtig, dass diese Dinge nie in Vergessenheit geraten. Wir freuen uns sehr, dass wir Sie heute in Meerane begrüßen konnten", sagte Jörg Schmeißer.

Jürgen Seul stellte seine Forschungsergebnisse zum Freundetrio Erich Kästner, Erich Knauf und Erich Ohser in dritten Reich am 8. Mai 2023 in der Meeraner Stadtbibliothek vor.