Corona heute: Zwischen Staatsversagen und Selbstverantwortung

Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,

auch wenn wir am heutigen Tag im Rathaus fassungslos sind, ob der gewaltsamen Zerstörung unseres öffentlichen Bücherschrankes durch Brandstiftung in der Innenstadt, ein Wort zur Corona-Lage.

Wir haben seit März 2020 über die Pandemie viel gelernt, und wir lernen weiter dazu. Eigentlich sollten wir jetzt davon ausgehen können, dass eine gewisse Grundinformation über das Virus und wie es sich verbreitet, in einer modernen Gesellschaft wie Deutschland selbstverständlich ist. Das Wissen ist Teil von mündigen Bürgerinnen und Bürgern.

Und dennoch steigen die Infektionszahlen an.
Ist es nur Gedankenlosigkeit, wenn die gesundheitsschützenden und lebenswichtigen Regeln von manchen Mitbürgerinnen und Mitbürgern nicht eingehalten werden?

Selbst wenn es einem persönlich egal ist, ob man sich infiziert oder nicht, trägt jeder von uns eine Verantwortung, die größer ist als wir selbst. Gerade wenn wir wollen,

  • dass wir nicht mehr in die Zeit der Ausgangsbeschränkungen zurückfallen,
  • dass unsere Kinder und Jugendlichen Kindertagesstätten und Schulen besuchen sollen,
  • dass unsere Unternehmen mit ihren Beschäftigten im Handel, im Gewerbe und in der Industrie tätig sein können,
  • dass Veranstaltungen der Kultur und des Sports weiterhin möglich sein sollen,

sind Disziplin und Solidarität weiter vonnöten.

Es gilt die eigene Mündigkeit unter Beweis zu stellen. Denn: Alle verordneten Maßnahmen, die die Ausbreitung des Virus verhindern sollen, ersetzen nicht unsere Selbstverantwortung im Umgang mit der Seuche. Solange das Virus so wütet, müssen wir uns selbst und andere schützen.

Dazu die aktuellen Zahlen von heute:

In Deutschland haben die Gesundheitsämter dem Robert-Koch-Institut (RKI) binnen 24 Stunden 376 neue Todesfälle im Zusammenhang mit dem Corona-Virus gemeldet. Die Gesamtzahl der Todesfälle stieg demnach auf 100.476 Menschenleben. Binnen 24 Stunden wurde ein Höchststand von 76.414 Neuinfektionen gezählt.

Die 7-Tage-Inzidenz liegt für Deutschland bei 438,2.

Info: Die Inzidenz gibt die Zahl der Neuerkrankungen an, die binnen 7 Tage pro 100.000 Menschen auftreten.

Sachsen hat in Deutschland mit 1.192,8 den höchsten Wert. Die Gesamtzahl der Todesfälle ist in Sachsen auf 10.835 Bürgerinnen und Bürger gestiegen.

Nach Angaben des RKI haben die Länder folgende Inzidenz-Werte:



Für den Landkreis Zwickau hat das Gesundheitsamt die Gesamtzahl der Todesfälle mit 1.156 Bürgerinnen und Bürger angegeben.

Das Gesundheitsamt zählt seit Beginn der Pandemie insgesamt 40.489 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 im Landkreis Zwickau. Die 7-Tage-Inzidenz liegt aktuell mit 1.127,80 Fälle pro 100.000 Einwohner bei einem neuen Höchstwert.

Inzidenzentwicklung im Landkreis Zwickau (Quelle: RKI, Abruf 26.11.2021)

 

Für die Stadt Meerane hat das Gesundheitsamt des Landkreises Zwickau binnen 24 Stunden 8 Neuinfektionen gemeldet. Verglichen mit dem vergangenen Freitag, 19.11.2021 erkrankten neu 204 Personen, so dass der Wert für die 7-Tage-Neufall-Inzidenz 1.470,9 beträgt.

Auch heute zeigen diese Zahlen, was offenkundig ist: Die Gebote und Verbote zur Bekämpfung des Virus reichen nicht aus. Zum Schutz von Leben und Gesundheit muss seitens des Bundesstaates konsequenter gehandelt werden.


Um es deutlich zu sagen:
Ziel der staatlichen Maßnahmen in der Pandemiebekämpfung muss der Schutz des individuellen Lebens und der Gesundheit der Bürger sein. Dazu ist der Staat verpflichtet. Dies umso mehr in einer Phase, wo täglich Bürgerinnen und Bürger an und durch das Virus sterben.

Anknüpfungspunkt ist die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz. Danach hat jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Für das Bundesverfassungsgericht hat der Staat die Verpflichtung, das Grundrecht „Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ zu schützen.  Verletzt der Staat diese grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz, so verletzt er das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Mit dieser Schutzpflicht des Staates korrespondiert ein Schutzanspruch eines jeden Einzelnen von uns. Das heißt: Der Staat ist verpflichtet, ausreichende Maßnahmen (rechtlicher und tatsächlicher Art) für einen angemessenen und wirksamen Schutz des Grundrechtes auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu ergreifen.

Leider haben wir in Deutschland die aktuelle Situation, dass in dieser nationalen Notlage der Bund und die Länder nicht gemeinsam arbeiten. Es grenzt an Staatsversagen, angesichts der stetig steigenden Todeszahl, wenn ein mögliches Regierungsmitglied der künftigen Bundesregierung am 25.11.2021 in der ARD erklärt: „Wir haben uns zehn Tage Zeit gegeben, um zu sehen, sind wir bei den Booster-Impfungen, sind wir bei den Schutzmaßnahmen weit genug gekommen.“ (Frau Annalena Baerbock). Anfang Dezember soll über weitere Maßnahmen beraten werden.

Bleibt die Hoffnung, dass der Freistaat Sachsen seiner staatlichen Verantwortung in unserem Bundesland gerecht wird und kurzfristig deutlich mehr Kontaktbeschränkungen verabschiedet, damit Menschen sich nicht weiter anstecken. Eine Vollbremsung ist leider notwendig.


Ich sehe uns als Stadt stets in der Pflicht, im Rahmen unserer Zuständigkeiten, alles zu tun, um die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Alle Einschränkungen und Beschränkungen messen der Gesundheit und dem Leben überragende Bedeutung zu. Gegenüber Bund und dem Freistaat Sachsen bleibt nur die Hoffnung, dass in dieser schwierigen Lage endlich die Staatspflicht so wahrgenommen wird, dass deren Maßnahmen das Virus wirksam eindämmen. Dazu zählt das erneute Herunterfahren, um das Virus in seiner Ausbreitung zu behindern. Und: Möge der Staat die Schutzimpfungen einfacher und weniger bürokratisch organisieren.

Schlussgedanke: Der Mensch ist ein biologisches Wesen, das von einer Krankheit bedroht ist. Wir erfahren unsere eigene Verletzlichkeit. Unsere Gesundheit und unser Leben sind kostbar. Wir können es nur mit Disziplin, Gemeinsinn und Eigenverantwortung schützen. Es bleibt unsere gemeinsame Pflicht, Gesundheit und Menschenleben zu schützen.


Bleiben wir weiterhin „Zusammen auf Distanz“.


Herzlichst
Ihr Lothar Ungerer
Bürgermeister


Nachtrag
Viren vermehren sich, indem sie ihr Erbgut kopieren. Während dieses Vorgangs können Fehler passieren, was sich dann in Form einer Mutation äußern kann. Derzeit grassiert die Corona-Delta-Variante in Europa. Jetzt verbreitet sich in Südafrika eine neue mutierte Variante, die weit schlimmer sein könnte (Corona-B.1.1.529-Variante). Virologen befürchten, dass diese Variante wegen ungewöhnlich vieler Mutationen hoch ansteckend sein könnte. Südafrikas Gesundheitsminister Joe Phaahla erklärte heute, die neue Variante bestätige die „Tatsache, dass dieser unsichtbare Feind sehr unvorhersehbar ist“. Er rief die Südafrikaner auf, Masken zu tragen, Abstand zu halten und insbesondere sich impfen zu lassen. (Quelle dpa).